Auf schmalen Pfaden unterwegs

Unsere Reisepässe sind bereits abgestempelt als uns der Chef der Grenzpolizei von Albanien ins Visier nimmt. Was der wohl jetzt noch will? Mit einem Grinsen im Gesicht zückt er eine Visitenkarte aus der Brusttasche und spricht eine Empfehlung für einen Campingplatz aus, seinen Campingplatz. Coole Marketing-Strategie: Den Kunden da abholen, wo er nicht ausweichen kann! Aber wir haben andere Pläne. Uns verschlägt es in das am weitesten abgelegene Tal des Landes. Ganz im Norden, dort wo alle Straßen enden.

Vermosh

Im Vermosh geht es durch´s Flussbett.

Im Vermosh geht es ab der gleichnamigen Streusiedlung nur noch durch das Flussbett weiter. Wir kommen an einer bizarren Blechkonstruktion mit Außenbestuhlung vorbei, mitten im Kiesbett. Hier hat ein junger Albaner ein Café eröffnet. Die Espresso-Maschine ist erste italienische Sahne und sein Espresso auch. Aber er ist deprimiert. „Dieses Land wird seit 30 Jahren schlecht regiert. Es gibt einfach nichts zu verdienen.“ Stolz erzählt er uns, dass seine Mutter in Deutschland lebt, dort studiert hat. Ich vermute, ihr haben wir den Espresso zu verdanken. Das Leben ist hart, abgeschnitten vom Rest des Landes kommt hier nur durch, wer sich selbst versorgen kann. Wir sehen Nutztiere und kleine landwirtschaftliche Flächen, für den Eigengebrauch. Aus dem Flussbett wird ein Schlammpfad und die Zäune weichen Nadelbäumen, die der Außenhaut unseres Landy ordentlich zusetzen. Irgendwann geht nichts mehr und wir kehren um. Gerne würden wir hier irgendwo übernachten, aber nicht ungefragt. Das käme uns nicht richtig vor. An einem kleinen Haus arbeiten mehrere Frauen auf dem Feld. Wir halten an. Warum ich denke, dass sie uns verstehen können, weiß ich nicht. Sie verstehen nur albanisch, aber die Gastfreundschaft gebietet es, dass sie uns trotzdem in ihr Haus einladen. Schon sitzen wir im kleinen Wohnzimmer mit Sperrholz-Schrankwand an die ein Flachbildschirm montiert ist. Dieser wird gleich in Betrieb genommen. Frau zeigt was sie hat. Es flimmert eine Nachmittagstalkshow über den Bildschirm, die ebenso aussieht wie das, was uns in Deutschland um diese Zeit serviert wird. In der realen Welt wird jetzt erst einmal türkischer Kaffee serviert, dann Limonade, dann Schnaps. Wir lächeln uns gegenseitig an und ich bedaure, dass niemand da ist der übersetzt. Wir verabschieden uns gestenreich, dankbar. Ich versuche mir vorzustellen, wie die gleiche Szene bei uns zu Hause abgelaufen wäre. Wir landen an diesem Abend übrigens auf der Wiese eines kleinen Restaurants. Lamm, Käse, Salat, Brot, Kartoffeln, wir geben uns alle Mühe, aber haben keine Chance alles zu verspeisen.

Shkodra See

Off-Road Freunde können ihre Enttäuschung darüber, dass die Straße den Fluss Cem entlang inzwischen geteert ist, kaum verbergen. Ich hingegen vermisse diesen zusätzlichen Schwierigkeitsgrad überhaupt nicht. Der Landy hat mit den steil bergauf und bergab führenden Serpentinen auch so genug zu schaffen. Die Landschaft ist traumhaft und um jede Kurve wieder neu, wir können uns gar nicht satt gucken. Wir cruisen an steilen Berghängen entlang und schauen den Bauern in die Vorgärten. Es ist ein krasser Gegensatz: Die Flüsse halten als Mülldeponie-Ersatz her. Plastik und Schrott der am Ende im Mittelmeer landet. Die privaten Gärten hingegen sind kleine Oasen mit Blumen und Nutzpflanzen, alles akkurat angelegt und aufgeräumt.

In diesem ADAC Campingplatz fallen wir aus Albanien heraus und in die Traveller Szene hinein.

In eine gänzlich andere Welt tauchen wir ein, als wir am Shkodra-See den Campingplatz erreichen. Kurz gemähte Rasenflächen, die Parzellen sind in Reihen angeordnet und entweder durch Bäume beschattet oder überdacht. Es gibt Waschmaschinen und ein Bügeleisen (das ich nicht benutze!). Am See ist Sand aufgeschüttet, Schirme stehen in Reih und Glied in exakt gleichen Abständen. Und: Jede Art von Reisemobilist ist anwesend, vom zeltenden Radler bis hin zum Unimog-Fahrer. Sehr viele Motorradfahrer sind ebenfalls hier. Sie kommen aus Tschechien, Bulgarien und Ungarn, wenige auch aus Österreich oder Deutschland. Die Tschechen sind besonders hart drauf, sie verbreiten schon vor 6 Uhr ihre gute Laune und ihr Motorengeheul.

Zeit sich auszutauschen. Ich komme alsbald mit René ins Gespräch. Er ist Landyfahrer, was ist schon mal sympathisch macht. Aber er ist auch Schweizer und hat einen Adapter für heimische Steckersysteme dabei. Damit wird er für mich zum Helden. Ich bin nämlich mit einem Computer-Model aus der Schweiz unterwegs (Indiana Oli sei Dank!) und habe den Adapter für europäische Stecker beim letzten Aufladen in Montenegro vergessen. René überlässt mir sein gute Stück sogar im Tausch gegen ein kühles Bier, für unsere weitere Reise. Meine Laune bessert sich schlagartig. Peter kämpft gegen seinen Fluchtreflex mit Nachbarschaftsgesprächen an. So lernt er ein Pärchen aus Nürnberg kennen, die jetzt, da die Kinder ihren eigenen Urlaub machen, endlich wieder off-road unterwegs sein können. Außerdem begegnen wir zwei Briten die völlig ohne Plan und ohne zeitliches Limit „Richtung Osten“ unterwegs sind, wobei sie darunter auch Marokko und Spanien verstehen.

Die Wäsche ist gewaschen, die Öle am Landy kontrolliert. Peter behält Recht. „Wenn unten nix rausläuft, muss man oben nix nachkippen.“ Das wird sich in Mazedonien schlagartig ändern, aber diese Geschichte muss noch warten.

Theth

Reisende die schon einmal in Albanien waren bekommen bei dem Wort Theth glasige Augen. Jetzt verstehe ich auch warum. Nicht nur der Ort bezaubert durch seine bizarre Lage in einem Hochtal, in absoluter Stille und geborgen durch hohe Berge ringsum.

Auch die Anfahrt ist ein Nervenkitzel besonderer Art. Wir haben an diesem Morgen noch Einkäufe erledigt, weil wir die nächsten Tage in Abgeschiedenheit verbringen werden. Diese kullern nun munter durch den Innenraum, während wir uns über steile Serpentinen in die Höhe schrauben. Bruno weiß bald nicht mehr wo er hintreten soll und entscheidet sich schließlich für das Brot, da steht er wenigstes weich. Wir haben ein Einsehen und räumen erst einmal alles weg, bevor es auf die Piste geht. Wir stehen an einem Panoramapunkt, von dem aus wir einen Eindruck von der Bergwelt der albanischen Alpen bekommen. Derweil versucht ein einheimischer Kleinbusfahrer Touristen im PKW zu erklären, dass für sie hier Schluss ist. Der weitere Weg ist nur mit 4×4 zu bewältigen. Es geht auf einspuriger Fahrbahn direkt am Fels entlang. Rechts von uns ist Abhang, hier geht es direkt sehr tief nach unten. Die Spur ist aber keineswegs eine Einbahnstraße, denn der Verkehr von Theth zurück geht über die gleiche Piste, man muss also mit Gegenverkehr rechnen. Der lässt auch nicht lange auf sich warten. Ein Furgone (albanisches Kleinbus-Taxi) kommt uns entgegen. Die Jungs kennen sich aus und mit ein bisschen Geschick passen wir gut an einer etwas breiteren Stelle aneinander vorbei. Schwieriger wird es, wenn Touristen uns begegnen. Insbesondere solche, die diese Strecke als Mutprobe missverstehen. Zwei kernige, junge Österreicher im Kastenwagen wollen gar nicht erst diskutieren. Mit einem „dös geht sich aus!“ ziehen sie an uns vorbei. Ich kann gar nicht hinsehen, so knapp schwebt ihr Reifen über dem Abhang. An der Tür unseres Aufbaus knarzt es dabei vernehmbar. Sie haben uns eine schöne Schramme zugefügt. Wir überlegen immer noch, ob wir mit Lackschrift darunter schreiben „dös geht sich net aus!“ Kaum haben wir das verdaut, kommt uns schon ein weiteres Fahrzeug mit Campingaufbau entgegen. Heike und Harry! Wir haben sie in Montenegro kennengelernt und treffen uns nun unter haarscharfen Umständen wieder. Eine herzliche Begrüßung und ein kurzer Austausch. Dann kommt das Unvermeidliche. Peter bittet Harry ein Stück zurückzusetzen an eine Stelle, an der es etwas breiter ist. Aber Harry ist überzeugt, dass es auch so geht. Er fackelt auch nicht lange und fährt beherzt los. Dann stoßen unsere beiden Alkoven aneinander (sehr schön zu sehen im Video). Es geht weder hin noch zurück. Jetzt heißt es alle aussteigen, wir brauchen eine „Affenschaukel“. Peter und die beiden Heike´s hängen sich mit ihrem Körpergewicht auf der Hangseite an unseren Landy, damit der Aufbau in unsere Richtung kippt. So hoffen wir, den entscheidenden Zentimeter Luft zwischen die beiden Wagen zu bekommen, dass Harry passieren kann. Das klappt auch, ist aber wieder so knapp, dass ich gar nicht hinsehen kann. Ich baumele mit dem Popo weit ausgestreckt an unserem Auto und kneife die Augen zu. 

Höhenpause auf dem Weg ins Tal nach Theth.

Die weitere Fahrt bis nach Theth verläuft ohne weitere Zwischenfälle. Aber ich bete inständig, dass die Informationen die wir in Theth über den weiteren Streckenverlauf bekommen, positiv für uns ausfallen, so dass ich hier nicht wieder zurück muss. Kein Bedarf!

Die Kirche von Theth

Autowandererleben in den albanischen Alpen.

Peter bleibt der Mund offen stehen darüber, wie sich das Dorf verändert hat. Als er vor Jahren zum ersten Mal hier war gab es weder einen Minimarkt, noch Restaurants und schon gar kein WIFI. Wir lassen uns in einem Camp auf der Rasenfläche nieder und werden in den nächsten Tagen nichts tun als die felsigen 2000er mit ihren schneebedeckten Spitzen auf uns wirken zu lassen. Ich drehe meinen Campingstuhl im Verlauf eines Tages um 360 Grad und blicke trotzdem immer auf Berge, unfassbar schön und sehr still. Ein guter Ort um zur Ruhe zu kommen.

Die innere Ruhe haben wir für den weiteren Streckenverlauf auch nötig, denn die Piste wird vielleicht breiter, aber keinesfalls besser. Unser Ziel ist das Valbona-Tal. Von Theth aus kann man zu Fuß in 8 Stunden dort sein. Die Wanderung führt durch wunderschönes Bergland in das parallel verlaufende Tal. Manche lassen sich auf dieser Tour von Pferden oder Eseln als Lastentiere begleiten. Aber wir müssen ja unser Auto mitnehmen und dafür gibt es keinen direkten Zugang. Das hat Peter bei seinem letzten Besuch bereits ausprobiert. So nehmen wir einen ziemlich abenteuerlichen und mehrere Tage dauernde Umweg, der uns auch auf eine Fähre führen wird.

Der lange Weg ins Valbona-Tal

Auf schmaler Piste den Fluss entlang, vorbei an einem maroden chinesischen Wasserwerk – in dem ein Arbeiter schläft – geht es in der ersten Etappe bis zur kleinen Siedlung Nderlysa. Die meisten Häuser sind hier verlassen, dafür gibt es gleich zwei Restaurants. Diese profitieren von der nahe gelegenen Sehenswürdigkeit „Blue Eye“, einem tiefblauen Bassin in dem sich das Wasser des Flusses aufstaut und von einem kleinen Wasserfall gespeist wird. Viele einheimische Gäste kommen um dieses Spektakel zu sehen. Wir parken den Landy an einem der beiden Restaurants, wo die zehnjährige Tochter als Übersetzerin ins Englische fungiert. Sie geht nur im Winter zur Schule.

Auf den letzten Metern zum Blue Eye überqueren wir den Fluss auf einer zusammengezimmerten Holzkonstruktion. Eine Touristin die nach uns kommt balanciert mit offenem Handtäschchen über die Bohlen, rutscht aus und ergießt den Inhalt in den Fluss. Sofort ist reges Treiben, denn man versucht ihr Handy zu retten, vergeblich. Wir beobachten das Schauspiel aus erhöhter Position auf dem Holzbänkchen von Josef, der hier im Fluss gekühlte Getränke verkauft, türkischen Kaffee und den besten Schnaps der Region. Wir nehmen einfach alles, weil er kein Wechselgeld für unsere Scheine hat.

Die Wasserfälle „Blue Eye“ im Paradies bei Nderlysa.

Mit dem Landy geht es weiter, immer wieder queren wir Furten, dann geht es den nächsten Berg auf staubiger Fahrbahn hinauf. Wir kommen an kleineren Streusiedlungen vorbei mit sehr vielen verlassenen, in sich zusammenfallenden Häusern. Mitten im Nirgendwo stehen rechte Prunkbauten mit gut gepflegten Gärten. Wir fragen uns, wem die wohl gehören. Dann so etwas wie eine Ortschaft, ein kurzes Stück Teer, ein Café in dem der Besitzer sogar Deutsch spricht. Er erklärt uns, dass die zweite Hälfte der Strecke bis zur Teerstraße furchtbar ist, ausgewaschene Piste und große Steine. „Aber mit eurem Auto habt ihr kein Problem.“ Gut, dass wir Zeit mitbringen. Er serviert Kaffee. Wir fragen ihn nach dem Leben im Dorf. Ich will wissen was passiert, wenn hier jemand krank wird. „Ein Krankenwagen kommt jedenfalls nicht, der würde viel zu lange brauchen. Wir haben hier vier Krankenschwestern vor Ort die sehr viel erledigen können. Wenn etwas Schlimmeres passiert kommt der Hubschrauber.“ Na wenigstens gibt´s den, denke ich. Peter fragt sich was mit dem gelben Haus nebenan passiert ist, das einmal sehr schmuck gewesen sein muss. „Ja, das war das Rathaus. Der Bürgermeister war 8 Jahre im Amt. Ein bisschen Korruption. Als die Leute das herausgefunden haben, hat das Haus gebrannt.“ Rache auf albanisch.

Das Bürgermeisteramt hat gebrannt. Rache auf albanisch.

Der Wirt hat nicht übertrieben, die Strecke ist landschaftlich ein Traum, aber die Piste spottet jeder Beschreibung. Wir hoppeln über Geröll, drücken uns an Felsen entlang und werden von Laubwerk zerkratzt, da hier niemand die Wege von Bewuchs freihält. Zwischendurch gießt es in Strömen. „Genusspiste“ nennt Peter sowas. Nach 6 Stunden brauchen trotzdem alle eine Pause. An einer breiteren Stelle fahren wir rückwärts in die Büsche und schlagen das Nachtlager auf. Die nächtliche Geräuschwelt ist von Natur geprägt, aber es kommen selbst im Dunkeln noch Fahrzeuge die „Straße“ entlang. Mir wäre das zu heikel.

Auch am folgenden Tag sind wir noch mehrere Stunden unterwegs bis die Straße sich so weit auf den Fluss zubewegt, dass wir ihn zu Fuß erreichen können. Es ist heiß, wir sind staubig und Bruno braucht dringend eine Dusche. Also ab ins Wasser. Da kommt uns stundenlang niemand entgegen und ausgerechnet wenn wir im Adamskostüm im Fluss dümpeln kommt Verkehr auf! Eine riesige Herde aus Schafen, Ziegen und Kühen, begleitet von Bauern mit Hunden, Eseln und Pferden ist im Anmarsch. Der Tross erstreckt sich über mehrere hundert Meter. Gibt uns Zeit die Flucht anzutreten, Bruno ins Auto zu verfrachten und die Kamera auszupacken. So manche Ziege genießt den Schatten unter dem Landy. Bruno machen die Geräusche ganz wuschig. Einer der Hirten fuchtelt mit einem Stock so lange unter dem Wagen herum, bis alle wieder draußen sind.

Eine Vieh-Herde blockiert die Weiterfahrt.

Unvermittelt beginnt die Teerstraße. Wir genießen, dass das Schaukeln aufhört und sich so etwas wie Ruhe einstellt (soweit man das von einem Land Rover sagen kann). Die Landschaft ist jetzt geprägt von Nutzflächen. Es wird Mais kultiviert, aber auch Zwiebel und Kohl. Wir sehen Olivenbäume und sogar Weinreben. An einer Tankstelle halten wir kurz an und kommen mit einem Albaner ins Gespräch dessen Schwester in Hamburg lebt. Auch hier der gleiche Tenor wie bei allen anderen Gesprächen. In Albanien gibt es nichts zu verdienen. Er hält sich mit Autowäsche über Wasser. Sein Antrag auf ein Arbeitsvisum in Deutschland wird seit 8 Monaten bearbeitet. Alle warten sie auf die Aufnahme Albaniens in die EU. Es ist abzusehen, dass dann junge Albaner, die gut ausgebildet und arbeitswillig sind, das Land verlassen.

Interessante Marke. Würde sich bei uns wahrscheinlich nicht durchsetzen.

Die Koman-Fähre

Wir müssen dringend weiter, denn es wird bereits dunkel und wir wollen noch nach Koman, wo morgen Früh die Fähre nach Fierze ablegt. Der Fluss Drinit begleitet uns schon jetzt, türkisgrün in einer Landschaft aus roten Felsen. Die Farbe wird durch die untergehende Sonne noch verstärkt. Ich bin hin und weg, Peter hingegen will nach so vielen Stunden hinter dem Steuer nur noch ankommen. Das wird aber erst einmal durch einen PKW vereitelt, der uns aufhält. Ein Jüngelchen hält uns einen Ausweis unter die Nase und will Tickets für die Fähre verkaufen. Bei 80 Euro lehne ich dankend ab. Er scheint verwirrt. Wir fahren weiter. Kaum drei Kurven weiter das gleiche Spiel. Dieser junge Mann hat zumindest eine rechnerische Begründung für seinen Preis von 75 Euro auf Lager, es gilt das Volumen des Fahrzeugs und wir seien nun mal hoch. Nein danke! Mit dem letzten Licht laufen wir in Koman ein. Wir überqueren die Brücke der Drinit, deren Betonpfeiler bereits mit Eisenmanschetten gesichert sind, damit sie nicht kollabiert. Das sehen wir aber erst als wir auf der anderen Seite ankommen. Unter der Brücke, also zwischen den Pfeilern, gibt es ein Hotel mit Garten. Hier können Camper die Nacht verbringen. Wir dürfen die Badezimmer der Hotelgäste mitbenutzen. Der Brückenpfeiler führt direkt an der Dusche vorbei. Der Besitzer ist ein fröhlicher Mann mit einem grünen Daumen und gutem Bier. Außerdem liebt er Hunde. An der Bar balgen gleich 5 Welpen miteinander. Bei ihm kaufen wir schließlich auch das Fährticket, für 50 Euro.

Am anderen Morgen müssen wir nur einen Kilometer bis zum Hafen fahren. Dieser ist jedoch durch einen Tunnel von der Straßenanbindung abgeschnitten. Hätte ich das nicht vorher in einem Blog gelesen, würde ich das Männlein das hier Tunnelgebühr einkassiert wohl nicht ernst nehmen. Für 4 Euro werden wir in totales Chaos entlassen. Hinter dem Tunnel parken kreuz und quer Busse, PKWs und Motorräder. Waren liegen durcheinander und überall laufen Leute. Und hier müssen wir jetzt drehen, denn Autos dürfen nur rückwärts auf die Fähre. Peter macht seine Sache sehr gut, auch wenn der Fährjunge der ihn eigentlich einweisen soll immer so steht, dass man ihn gar nicht sehen kann. Wir haben Glück, wir landen auf der etwas kleineren der beiden Fähren die gemütlicher dahinschippert. Außerdem gibt es noch einen Wasserbus nur für Personenverkehr. Das Teil heißt nicht nur so, sondern ist wirklich ein Bus, der auf einen Schiffsrumpf geschraubt wurde.

Der Wasserbus

Die nächsten drei Stunden sind das pure Vergnügen. Wir können im Auto sitzen oder auf der Fähre nach Herzenslust herumlaufen. So bekommen wir die Landschaft um uns herum aus allen möglichen Blickwinkeln zu sehen. Einen Canyon einmal von der Wasserseite aus zu bestaunen ist etwas ganz Besonderes. Rechts und links von uns ragen die Berge direkt aus dem Wasser steil in den Himmel empor. Manche sind stark bewachsen, andere aus kahlem Felsgestein. Um jede Flussschleife herum bieten sich neue Eindrücke. Vereinzelt sehen wir kleine Häuser hoch oben am Hang. Wir können beobachten, dass Passagiere mit ihren Waren vom Wasserbus mitten im Nirgendwo abgesetzt werden. Dort werden sie von Lasteneseln empfangen, die sie zu Fuß, aber wenigstens ohne schweres Gepäck, nach Hause bringen. Was für ein Leben die Menschen hier führen! Aber wie überall sonst in Albanien, winken auch sie uns fröhlich zu, als wir sie passieren.

Drei Stunden Fähr-Vergnügen.

In Fierze haben wir dann wieder Teer unter den Reifen. Auf dem Weg ins Valbona-Tal halten wir für Einkäufe in einem größeren Ort. Peter resümiert nach 30 Minuten Einkaufsbummel: „In Bayram Curri gibt es Plastik, Handyhüllen und Implantate, aber nix vernünftiges.“ Unter Vernünftigem versteht er Fleisch.

Im Valbona-Tal

Nach vier Tagen haben wir schließlich die Kehrseite der Berge von Theth erreicht, wir sind im Valbona-Tal und tauchen damit wieder einmal in eine völlig neue Welt ein. Wir sind dem breiten, trockenen Flussbett aus weißen Kieselsteinen gefolgt, die wie Schnee aussehen und stehen nun mitten in einem 360 Grad Bergpanorama mit tatsächlich schneebedeckten Spitzen. Wie schon in Theth so ist auch hier um uns nichts als Vogelgezwitscher, Kuhglockengebammel und Stille. Ein guter Ort um Morgenrituale wie Meditation und Yoga wieder aufzunehmen. Wir verbringen die Tage mit Wanderungen in die Umgebung, z.B. zu einem gigantischen Wasserfall der einen Pool speist. Wir stehen im Flussbett und machen am Abend Lagerfeuer. So haben wir uns das Autowanderer-Leben vorgestellt!

Valbona-Tal 

Flussbettcamping im Valbona-Tal

Peter war übrigens im weiteren Verlauf der Reise bei der Jagd nach Fleisch doch noch erfolgreich. Beim Metzger hing eine halbe Kuh am Haken. Hier ist es wohl üblich, dass man auf das Stück des Tieres zeigt, von dem man etwas haben möchte. Dann kommt das Beil zum Einsatz. Der blutgetränkte Holzbock auf dem das ganze mundgerecht zerteilt wird wäre sicher ein Erlebnis für jeden Mitarbeiter des deutschen Wirtschaftskontrolldienstes. Aber geschmeckt hat es und überlebt haben wir es auch!

Es ist nicht klar geworden, ob diese Wurst nur für Touristen gemacht wird, oder gar aus ihnen..

Abgekürzt

Flexibilität ist für mich ein wesentlicher Teil des Reisens. Auf Tipps und Hinweise anderer Reisender oder Einheimischer zu hören, damit wir den für uns richtigen Weg finden und dabei Ziele ansteuern können, die uns Energie geben. Nachdem wir mehrfach gehört haben, dass der Oridsee auf der mazedonischen Seite wunderschön sein soll, beschließen wir, es auf dem Hinweg unserer Tour bei Nord-Albanien zu belassen und hinter Peshkopie die Grenze nach Mazedonien zu überqueren.

Wer noch mehr Bilder sehen möchte, kann sich diese in der Galerie ansehen. Das Video zu den albanischen Alpen findet Ihr hier.

4 Comments
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4 Comments

  1. Brigitte Kaiser says:

    Hallo Heike, lese mit großer Spannung Deine Berichte. Toll was Ihr alles erlebt.
    Mut gehört dazu und abenteuerlust. Gruß Brigitte aus Deiner Heimatstadt

  2. Susanne Baun says:

    Liebe heike, wundervoll, wie du uns auf eure reise mitnimmst! Dein humorvoller schreibstil, die tollen fotos, die alles untermalen, und vor allem nun die videos…als wäre ich dabei! Sehr beeindruckend die weiten flussbetten, durch die das landy rollt, und die schneebedeckten berge, einsamkeit pur. Die natur ist grossartig…und der mensch so klein. Geniesst auch weiterhin alles! Susanne

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